Spätsommerreise

Vom 23. - 27. August 2019

 

 

Ein paar Tage ins Tessin wollten wir. Vor allem das Centovalli durchfahren von Locarno bis Domodossola. Und den Gotthard mit seinen ewigen Staus wollten wir meiden. Es war sowieso Freitag und vom Verkehr her Einiges zu erwarten.

 

Also einigten wir uns auf die Strecke durch Graubünden und die San Bernardino Route. Das Wetter war gäbig und schon um die Mittagszeit erreichten wir Splügen.

 

Den Splügenpass kannten wir eigentlich gar nicht und entschlossen uns spontan zu einer Richtungsänderung. Statt durch den Tunnel Richtung Bellinzona, wählten wir den Splügenpass und hinunter nach Chiavenna. Da wollte man schon lange einmal hin, meinte die Beifahrerin vorne rechts. Die Passstrasse erwies sich als eine echte, fahrerische Herausforderung.

 

Spitzkehren vom Feinsten! Meistens waren beide Fahrspuren nötig, um die Ecke zu bewältigen. Für unser 6m langes Fahrzeug gerade noch zu meistern. Öfters musste der Gegenverkehr anhalten, um meine Manöver zu ermöglichen. Enge Galerien- und Strassenpassagen erforderten ab und zu ein Zurücksetzen auf die nächste Ausweichsmöglichkeit.

 

Trotz des “Geschicklichkeitfahrens“ eine sehr interessante Fahrt... und eigentlich bin ich solchen Herausforderungen gar nicht unbedingt abgeneigt!

Auf der anderen Seite hinunter nach Chiavenna übrigens das selbe in blau!

 

Passstrasse Splügen                                                                                                       Chiavenna

 

 

Der Rundgang durch Chiavenna endete bei einer Pizzeria. Schliesslich war die Mittagszeit schon lange vorbei. Zudem fing es noch leicht an zu regnen. Zeit sich Gedanken für eine Bleibe zum Übernachten zu machen. Da die Reisevorbereitungen dieses Mal zu wünschen übrig liessen, hatten wir auch keine konkreten Ideen für anzufahrende Fixpunkte. Also tuckerten wir dem Comersee entlang Richtung Lugano. Nach Locarno wollten wir bei diesem abartigen Freitagabend-Feierabendverkehr (Stau) nicht mehr fahren und so peilten wir Luino an und fanden, auf einem uns bekannten Stellplatz, eine Bleibe für die Nacht.

 

 

Stellplatz Luino am Lago Maggiore

 

GPS   N 45°59'46.52"  E  8°43'26.33"

 

 

 

Am Samstag wollten wir auf den Stellplatz in Locarno fahren. Er befand sich direkt hinter dem Jachthafen am Lido. Da haben wir schon mehrmals zwischen gelandet auf unseren Reisen. Doch diesmal erlebten wir einen Rückschlag. Schon von weiterher erblickten wir Baukräne in der Richtung des bekannten Stellplatzes. Tatsächlich, ein riesiger Bau entstand da, wo wir einst friedlich zu schlafen pflegten.

 

Nun war guter Rat teuer.

 

Kurzerhand parkten wir auf einem normalen Parkfeld am Lido. Ein zusätzlicher Meter der Grünfläche vor dem Bus musste noch herhalten, um den Überhang mit den Velos hinten am Fahrzeug von der Strasse fern zu halten.

 

Nun machten wir uns zu Fuss auf den Weg in die Stadt. Wir wollten von Tourist-Informationscenter wissen, ob eine Alternative für den überbauten Stellplatz geplant sei. Leider nichts in Aussicht, meinte die Dame am Schalter. Ein alternativer Stellplatz sei von den Anwohnern abgewiesen worden. Eine Ausweichsmöglichkeit sei der Platz im Verzascatal, von wo aus Locarno bequem mit dem Bus erreichbar sei.

 

Henu, wir verzogen uns Richtung Centovalli und fanden eine schöne Bleibe in Craveggia.

 

 

Das Centovalli, wild und schön, mit der Wallfahrtskirche der Madonna del Sangue im kleinen Dorf Re

 

 

Das Centovalli erstreckt sich von Locarno bis Domodossola und ist mit Fahrzeugen unserer Grösse gerade noch passierbar. Sehr enge Strassenpassagen mit in die Fahrbahn hinein ragenden Felsen etc., engen Brücken und Spitzkehren machten das Fahren sehr anspruchsvoll. Auch hier musste ab und zu zurückgesetzt werden, um aneinander vorbei zu kommen. Da sind die Eingeborenen hier mit ihren kleinen "Chrutzlis" besser dran. Ungefähr in der Mitte passierten wir die Grenze zu Italien. Die Strasse führte grösstenteils durch bewaldete Berghänge. Immer parallel zur schmalspurigen, in den Kurven laut quitschenden Centovallibahn, der wir mehrmals begegneten. Auf dem Campingplatz in Craveggia fanden wir eine Bleibe für die nächsten Tage. Hier wollten wir wandern und die Gegend kennenlernen.

 

Ein paar Minuten Fussmasch waren es nur bis zur Talstation der Gondelbahn auf den 1800m hohen Piano di Vigezzo.

Bewaffnet mit Wanderschuhen, Stöcken und Rucksack machten wir uns auf den Weg.

 

Wegen dem System ging es aber erst um 11.00 weiter. 

 

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Das System ........

Wir kannten einen Knecht, der bei uns im Dorf bei einem Bauer angestellt war,  der "Schüggu",  wurde er genannt. 

Wenn man mit ihm ins Gespräch kam und ihn fragte, wieso dies oder jenes denn so sei, pflegte er jeweils zu sagen: "Das ist eben wegen dem System". Damit war alles klar und der Fall erledigt. Seither verwenden wir diesen Spruch immer, wenn wir etwas nicht begreifen. 

Wie recht er hatte!

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So auch bei der Gondelbahn Craveggia.

Da standen wir mit unseren Fahrkarten in der Hand am Drehkreuz unmittelbar da, wo die Gondeln um das Umlenkrad drehten und wieder bergauf fuhren. 

Die Türen öffneten sich, die Kabine fuhr langsam vorbei. die Türen schlossen wieder, die nächste Gondel rückte an, die Türen öffneten sich, die Gondel fuhr vorbei, die Türen schlossen sich wieder...... so ging es eine Weile, bis Anita einen der zwei Kontrolleure, die beim Drehkreuz herumlungerten, fragte, warum man da nicht einsteigen dürfe, die Gondeln fahren ja sowieso hoch.... Ahh, meinte er, das sei weil die nächste Bergfahrt erst um 11 Uhr sei... Es war 10.35Uhr. Wir verstanden gar nichts mehr! Die Bahn läuft, wir bräuchten nur einzusteigen. Stattdessen schauen wir jetzt bis am 11 Uhr den Kabinen zu, wie sie vor unserer Nase vorbei fuhren?

Das ist halt wegen dem System fanden wir und warteten geduldig.

Als dann noch weitere 4 Berggänger auftauchten, durften wir plötzlich doch noch einsteigen und so wurde die 11 Uhr-Bergfahrt auf die viertel-vor-Elf vorgezogen, systembedingt!

 

 

 

Den Weg hinunter ins Tal sollte ca 2.30 Std. in Anspruch nehmen und wurde uns von der Dame an der Reception des Campings empfohlen. Nach einem ausgiebigen Rundumblick oben auf dem 1720 m hohen Piano di Vigezzo, machten wir uns auf den Weg mit der Bezeichnung E27 auf der Wanderkarte. Wandern war allerdings übertrieben. Der Weg entpuppte sich grösstenteils als Bachbett mit kleinen und grossen Felsbrocken. Der Weg verlief fast gänzlich durch Wald, welcher uns den erhofften Ausblich über das Centovalli, verwehrte.

Mit arg gebeutelten Gelenken erreichten wir pünktlich nach zweieinhalb Stunden die Talsohle und waren froh, dass wir uns endlich von den Wanderschuhen befreien konnten. Eine Wohltat war das anschliessende Fussbad im kühlen Bergbach, der am Rande des Campinplatzes  vorbeifloss. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Camping Village Hermitage Craveggia

 

GPS   N 46°08'12.43'' 

          E  8°28'44.69''

 

Wir blieben 3 Nächte auf diesem ruhigen Campingplatz, dann zogen wir weiter Richtung Domodossola.

 

Die Fahrt ab Craveggia bis zum Ende des Centovallis war viel angenehmer zu fahren, als das Teilstück von Locarno hierher. Die Strasse war viel breiter und man konnte von normalen Strassenverhältnissen reden.  

 

In Domodossela stellten wir kurzerhand in einer Blauen Zone mitten in der Stadt ab. Obschon das Feld nicht gross genug war und das Hinterteil noch ins anschliessende Parkfeld hineinragte (in solchen Fällen hoffen wir jeweils auf den Touristenbonus...).

Wir durchwanderten die Altstadt und beobachteten das bunte Treiben am Marktplatz, bei einer Erfrischung. Es war um die Mittagszeit und sehr heiss. Rings um den Platz standen alte Gebäude, die Strassen waren autofrei. 

 

 

 

Die Weiterfahrt wählten wir über den Simplonpass nach Brig

 

 Kaffeepause auf dem Simplonpass

 

Nach Brig folgten wir der Strasse durchs Wallis hinunter bis Aigle. Von da hoch in die Berge Richtung Les Diablerets  am Col du Pillon.

Halt machten wir an der Talstation der Glacier3000 und bewunderten die Bergwelt, die hell erleuchtet in der Sonne stand. Die Gondel brachte gerade die letzten Wanderer hinunter vom Diableret.

 

Die Glacier3000 wurde im Jahr 1999 in Betrieb genommen. Sie führt hinauf zur ersten Station dem Cabane und mit einer zweiten Bahn weiter zum  Scex Rouge (2971 m ü. M.). 

Erinnerungen wurden wach, war ich doch dabei, als die ersten Stahlseile mit einer riesigen Dieselmotor betriebenen Seilwinde, den Berg hinauf gewuchtet wurden. 

Als Leiter Aussendienst meines damaligen Arbeitgebers, war ich verantwortlich für den Transport und die Montage der Hebebühnen, die in jeder Station, im Boden versenkt, montiert wurden.  Damit werden die Transportbarellen, die das nötige Material, das für den Betrieb des Restaurants und der technischen Einrichtung oben auf dem Berg benötigt wird, unter die Kabinen hochgehievt. 

Ein nicht alltäglicher Arbeitsplatz und eine Herausforderung für uns Flachlandratten. Wind und Wetter in der zuweilen rauen Bergwelt machten uns manchmal zu schaffen. 

 

Mittlerweilen wurden die Schatten länger. Zeit, eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Die fanden wir etwas weiter den Berg hinunter Richtung Gstaad auf dem leeren Parkplatz der Oldenegg-Bahn. Ein unbefestigter Platz, etwas abseits der Strasse.  Ein Franzose stand schon da mit seinen Reisemobil. Ein idyllischer Platz fanden wir. Die Kuhglocken, von einer irgendwo hinter dem Tannenwald versteckten Weide, bimmelten bis weit in die Nacht hinein. 

 

Morgens um 8 Uhr war es dann plötzlich vorbei mit der Ruhe! Lauter Lärm riss uns aus dem Schlaf als ein Helikopter ca. 25 m von unserem Fahrzeug entfernt, landete.  Arbeiter der Glacier3000 und Helfer der Heli-Firma stiegen aus und diskutierten lange miteinander, bevor sie abhoben und lange an den Felskanten des Diablerets-Massivs herumhingen.  Nach ca. 30 Minuten landete er abermals, wieder wurde diskutiert, neue Leute stiegen hinzu, hoch zum Berg, um wieder an der selben Stelle herum zu hängen. 

Bevor der Heli wieder landete, verzogen wir uns in die entfernteste Ecke des Platzes. Unser WoMo, beschlagen vom Morgentau, war ohnehin grau überzogen von der Staubwolke, die der Heli aufwirbelte.

Während dem Morgenessen sahen wir den Heli wieder im Landeanflug. Diesmal hing eine Kuh am langen Seil. Sie war vermutlich abgestürzt und wurde dem unterdessen eingetroffenen Bauer, direkt im Anhänger abgelegt.

 

Der Parkplatz der Oldeneggbahn, unser Schlafplatz für eine Nacht.

 

Für heute hatten wir bereits genug "Ägschen". 

Nun wollten wir an den Lauenensee.   Das Lied von Span hat ihn berühmt gemacht. 

Also hinunter nach Gstaad und auf dem schmalen Strässchen hinüber zum See. 

 

Der Lauenensee mit dem Stein und der Tafel (Bild oben rechts) worauf zu lesen ist, dass sich hier jedes Jahr die Pächter des Riedlandes treffen und bestimmen, wer heuer das am See angrenzende Land nutzen darf.  

 

 

Wir montierten die Wanderschuhe und umrundeten den See in ungefähr einer Stunde. Jetzt am Morgen war noch nicht viel Betrieb, eine gemütliche Wanderung bei schönstem Wetter.  In der Mittagszeit erreichten wir die Wirtschaft, mit gleichem Namen wie der See. Gerade noch rechtzeitig. Immer mehr Wanderer strömten vom Parkplatz herüber, in der Hoffnung einen Platz unter einem Sonnenschirm zu ergattern. 

 

 

 

 

Nun kannten wir auch den Lauenensee. Und da wir schon einmal in der Gegend sind, warum nicht einen Spaziergang durch Gstaad machen. Hoch interessant war das Betrachten der Waren in den Schaufenstern. Definitiv nicht unsere Preisklasse!

Die Kaffeepause vor einem der vielen Etablissements fiel leicht teurer aus als sonst, aber wir genossen sie trotzdem. Sagenhaft, was sich da alles auf der Ausgehmeile tummelte. Menschen aus fremden Ländern und anderen Kulturen haben uns schon immer fasziniert. Immer wieder fragt man sich, ist das uns bekannte System, in dem wir uns bewegen, das einzige, das richtige? Gibt es etwas besseres, anderes?

Spätesten als der Mann (offensichtlich aus dem arabischen Raum) mit seiner Entourage vorbeizog, machte ich mir so einige Gedanken.

Er vorweg, hintendrein drei identisch gekleidete Frauen, vermummt bis obenhin, im Gänsemarsch folgend. 

Da stimmt die "Frauenhaltung" scheinbar noch. Wenigstens da wo sie herkommen. 

Um in der hochkarätigen Umgebung nicht aufzufallen, setzten wir wieder unsere Investoren-Gesichter auf und machten uns auf den Weg zu unserem WoMo, welches wir auf dem Parkplatz der Gemeinde abgestellt hatten.

 

 

Den Heimweg wählten wir über den Schallenberg und durch das Emmental.

 

Nur eine Woche waren wir unterwegs und haben doch wieder viel gesehen und erlebt.  

 

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